Samstag, 22. Juni 2013

SOMMER

Der Sommer hat – wie auch in Deutschland – auf sich warten lassen; doch nun ist er angekommen und zwar in voller Gänze. London konnte sich die Woche über an blauem Himmel und Sonne satt sehen und auch ich genieße meine frei Zeit auf der Dachterrasse mit Sicht auf unseren blühend wuchernden Garten. Auch der Rundbrief wird von dem Geruch der Sonnencreme in meiner Nase beeinflusst werden.
Doch auch wenn die Zeit eine lange Zeit unbewegt und im Winter zu verweilen schien, gab es zumindest in unserem Haus große Veränderungen. Es ist zu verkünden, dass nur noch zwei kleine Familien in unserem Haus leben. Somit sind es insgesamt schon vier Familien, mit denen ich in den letzten Monaten in Gemeinschaft zusammengelebt habe, die in ein neues Abenteuer aufgebrochen sind – so wie auch ich bald in ein neues Abenteuer aufbrechen werde.
Momentan ist die Zeit, denke ich, gerade durch eben die Gewissheit des Aufbruchs geprägt. Ich genieße jeden Moment, weil ich mir seiner Vergänglichkeit bewusst bin. Ich genieße jeden Moment, weil ich dann weiterziehen werde, wenn es am Schönsten ist.

London ist mein Zuhause geworden. Letztlich muss ich zugeben, dass ich mich doch ganz schön verliebt habe in die immer brennende Flamme London. Insbesondere die letzten Wochen haben mich überzeugt.
Zum einen ist es die Stadt, die man besser und mit all ihren Nuancen kennenlernt.
Letzte Woche führte mich meine Neugier beispielsweise durch das Kanalsystem Londons. Zwar hatte ich gewusst, dass der Kanal existiert, aber nie hatte ich mit der Größe und Schönheit gerechnet, die mich erwartete. Insbesondere die Ruhe empfindet man im überfüllten London als angenehm und so lasse ich nun beim wöchentlichen Joggen am Kanal die Seele baumeln.
Auch einen Hügel habe ich letztendlich in London finden können. Wer sich nun fragt, warum ich einen Hügel gesucht habe, der sollte wissen, dass meine Wurzeln ihr Wasser aus der Wupper ziehen. Und Wuppertaler vermissen nun einmal das bergige, Bergische Land. Wie ich schon sagte, wurde meine Sehnsucht jetzt aber durch den primrose hill befriedigt, der eine wunderschöne Aussicht auf London bietet, und jedes (zumindest Wuppertaler) Herz höher schlagen lässt.

Hauptsächlich liegt es aber natürlich an den Menschen in meinem Umfeld, die mein Herz höher schlagen lassen. Beispielsweise bemerke ich in letzter Zeit immer wieder wie eng meine Beziehung zu meinen Klienten geworden ist. Jede Beziehung ist einzigartig, doch haben sie alle eins gemein; hatte ich anfangs Energie aufwenden müssen, um die Treffen lebendig werden zu lassen, so ist es jetzt die Freude Zeit miteinander verbringen zu dürfen.
Mittlerweile ist man ein eingespieltes Team;
wie schon in meinem ersten Rundbrief berichtet, besuche ich die 98 jährige Emma – wie schon in meinem ersten Rundbrief berichtet, mag sie Whiskey.
Und so ist es schon Tradition, dass wir nach den ausgiebigen Einkäufen, gemeinsam zu Mittag essen und ich ihr danach eine großzügige Portion Whiskey einschenke.
Insbesondere der Umzug in ein Altenheim hat unsere Beziehung intensiviert. Es war kein einfacher Schritt in ein anderes Umfeld zu ziehen, aber umso mehr ist das Aufrechterhalten unserer Traditionen ein wichtiger Schritt ihr neues Zuhause als solches zu akzeptieren.
Manch eine Beziehung wurde jedoch jäh unterbrochen, so sind während meines Jahres drei Klienten verstorben. Insbesondere der Tod einer kürzlichen verstorbenen Klientin hatte mich mitgenommen. Immer wenn ich sie besuchte hatte, war das erste Geräusch die Beatmungsmaschine, die sie am Leben hielt, und das Zweite ihre zaghafte Stimme, die mich begrüßte. Unsere Treffen hatten sich nicht durch Gespräche ausgezeichnet, vielmehr hatte ich – meist nur eine kurze Zeit, weil sie mich aufgrund ihrer eigenen Kraftlosigkeit oft nur eine Stunde sehen konnte – nur neben ihr gesessen. Am Ende jedoch hatte sie mir in ihrem Abschiedskuss so viel Dankbarkeit geschenkt, als hätte ich mein Leben lang an ihrem Bett gesessen und ihr Kraft geschenkt. Nun bin ich es, der dankbar ist, eine wundervolle Person wie sie gekannt zu haben.

Dankbar bin ich auch für die Freundschaften, die ich in London schließen konnte.
Und wenn ich in die Heimat zurückkehre, dann mit der Gewissheit, dass ich eine Heimat zurücklasse.

Liebste Grüße also aus der Heimat an die Heimat,

Euer Jens Vorsteher

Samstag, 6. April 2013

Rundbrief - reloaded


' […] time stops: past, present and future exist as a single overwhelming force. […] But at such moments time doesn't move. And if time isn't running , then all events that we think of as past or future are actually happening simultaneously.' Sebastian Faulks


Nach einem halben Jahr in der Ferne, oder zumindest abseits von meiner Heimat, habe auch ich das Gefühl, dass Zeit nicht mehr linear verläuft – bin ich gerade erst angekommen, so bin ich jetzt schon für immer hier gewesen. Auch wenn sich das Wetter gefühlt seit Oktober letzten Jahres nicht mehr verändert hat, und sich somit das Gefühl verstärkt, dass die Zeit still steht; ergeben sich zumindest in meinem Alltag immer wieder neue Muster und Formen.
Unglücklicherweise sind zwei meiner Klienten gestorben, sodass ich einige Wochen Löcher in meinem Tagesablauf zu flicken hatte. Mittlerweile habe ich neue Klienten zugewiesen bekommen, und alles läuft weiter in seinen geregelten Bahnen. Ich freue mich besonders auf den Sommer
(, wobei der Frühling für den Anfang auch schon nicht schlecht wäre), denn das Bummeln durch London ist bei Sonne für Geschobenen und Schiebenden durchaus angenehmer.
Auch meine Freizeit nutze ich anders; zum einen habe ich wieder meine Tanzklassen gewechselt, wenn auch zu ihrer finalen Konstellation, wie ich hoffe. Und zum anderen verbringe ich viel Zeit, um mich über verschiedene Themen zu informieren.


Im Januar habe ich Mitfreiwillige in Israel besucht, um ihr Leben in einem anderen Land kennenzulernen. Ich habe Erfahrungen machen dürfen, die ich nie wieder vergessen werde.
Exemplarisch kann man wohl zwei Extreme festhalten. Zum einen schwamm ich in Tel Aviv im Meer, während es eine Stunde entfernt im hügeligen Jerusalem auf Palmen schneite; zum anderen saß ich gemeinsam mit einer Freundin in einem Bus, während wenige Meter entfernt eine Autobombe explodierte. Insgesamt kann man wohl sagen, dass ich danach die Welt nicht mehr verstand - seither wird mein Wissensdurst mit Lektüre über den Konflikt gestillt. Zudem besuche ich öffentliche Vorlesungen an der SOAS (School of Oriental and African Studies), um einen möglichst umfassenden Überblick zu erlangen.
Generell denke ich, dass es wichtig ist Interesse an andere Kulturen zu entwickeln. Eine friedvolle Gemeinschaft kann letztendlich nur entstehen, wenn wir versuchen unser Gegenüber zu verstehen.
Die Angst vor fremden Kulturen ist die Basis für Fremdenfeindlichkeit (wie sie beispielsweise in Israel nahezu in Vollendung auftritt).

Doch auch in unserer Gesellschaft müssen wir für gegenseitiges Verständnis eintreten. Eine Gemeinschaft ist überall erstrebenswert.
Zurzeit wird der Beitritt Rumäniens in die Europäische Union debattiert. Hier im Vereinigten Königreich ist die Angst vor einer weiteren Migrationswelle groß, immerhin muss sich das Vereinigte Königreich schon seit seiner Stellung als Kolonialmacht bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts mit der Problematik der Einwanderung auseinandersetzen. Immer mehr Menschen haben sich die Verbindung zu nutze gemacht, um im Vereinigten Königreich einen Neuanfang zu starten. Auch heute noch sind die Commonwealth neben der Europäischen Union ein entscheidender Faktor.
In mir löst die Furcht jedoch nur Unverständnis aus, gerade weil die Integration von Menschen fremder Kulturen vorbildlich gelöst zu sein scheint.
In der Vorweihnachtszeit besuchte ich die Weihnachtsvorstellung einer Grundschule in unserer Nachbarschaft. Eines unserer im Projekt lebenden Kinder nahm an der Vorstellung teil.
Als ich das Schulgebäude betrat, wurde ich positiv überrascht – ein Abbild von Integration.
Neben dem Kruzifix schmückte das muslimische Glaubensbekenntnis den Haupteingang. Und auch die anderen Wände des Gebäudes waren meist mit Projektarbeiten gestaltet, die andere Kulturen oder Religionen zum Thema hatten. Weiterhin erfuhr ich, dass neben der Geburt Jesu auch das hinduistische Diwali (Lichterfest) und das muslimische Eid al-Fitr (Ende der Fastenzeit) gefeiert worden waren. Es wird deutlich, dass Menschen zur Integration bereit sind, wenn auch Interesse an ihrer Kultur gezeigt wird. Immerhin bedeutet Integration nicht, dass man seinen kulturellen Ursprung hinter sich lassen soll, vielmehr geht es darum ihn mit seinem kulturellen Umfeld zu verbinden. Wenn Türen verschlossen werden, kann niemand eintreten.
Das Vereinigte Königreich ist ein Land des Christentums, des Islams und des Hinduismus, ... – eben ein Land der Menschen, die in ihm leben. Migration wird niemals ein Problem sein, wenn Integration zu einer solchen Vielfalt führen kann.

Auch das Leben in unserer Hausgemeinschaft zeigt immer wieder auf, dass Menschen mit verschiedenem kulturellen und religiösen Ursprung harmonisch miteinander leben können. Zurzeit beherbergt unser Haus Menschen aus Pakistan, der dominikanischen Republik, Kamerun, Lettland, Litauen, Portugal, England und Deutschland; das schließt immerhin schon sieben verschiedene Sprachen und zwei verschiedene Religionen ein;
und dennoch lebt man nicht nebeneinander, vielmehr fügen sich unsere Leben ineinander.
Und wenn ich am frühen Abend dann in die Küche komme, hängt der Geruch von Essen in der Luft. Man hört Kinder spielen und sie sind laut. Man hört Eltern kochen und sie sind genervt.
Und genau in solchen Momenten weiß ich, dass wir eine Familie sind.





Euer Jens

Dienstag, 12. Februar 2013

You can fight the moonlight ...

Blazing London - the sky is shining even in the night!

The street lights colour the sky in a lovely shade;it's even bright enough to read a book.

I love 'well used' energy. ♥

Freitag, 18. Januar 2013

Schnee in London ...



Schnee hat sich über die Stadt gelegt; und es kommt Weihnachtsstimmung auf. Auch in unseren Fenstern glitzern rote und goldene Kugeln, und auch ein paar Weihnachtsmänner stehen in unserem Haus – einer auf meinem Waschbecken. Leider spreche ich nicht über die Vergangenheit, vielmehr über gegenwärtige Ereignisse. Die Weihnachtsdekoration wurde noch nicht wieder in den Tiefen unseres Hauses verstaut und der Schnee hat sich wohl verspätet.
Nun hat das Ganze aber auch seine Vorteile, immerhin ermöglicht es mir über Weihnachten in London zu berichten, ohne mir über meine Verspätung bewusst zu sein.
Brother Julian berichtete in einer Danksagung für all unsere Weihnachtskarten wahrheitsgemäß, dass wir hier im Kloster eine deutsche Weihnacht gehabt haben. Zum einen hatte ich Besuch von meinen deutschen Frankreich Freiwilligen und von meinem Bruder und seiner Freundin und zum anderen übernachteten drei meiner Vorgänger hier im Haus – zwei von ihnen mit Freundin. Wer rechnen kann kommt schnell auf die Anzahl von elf Deutschen.
Am Heiligen Abend schmückte ich den Baum mit meinen ersten Ankömmlingen, um uns schnell in Weihnachtsstimmung zu versetzen und die Bescherung zu versüßen. Mit dem besten Weihnachtsgeschenk, einem selbstgestrickten Pullover von meiner Mama, ging es dann schnell in den Mitternachtsgottesdienst. Hier startete dann auch die englische Weihnachtszeit, mit dem traditionellen Entzünden der Weihnachtskerze.
Den nächsten Morgen verbrachten wir in einem anderen Gottesdienst, mit glorreichen Liedern, die mir die nächsten Tage nicht mehr aus dem Kopf gehen sollten. Ansonsten hieß es an diesem Tag: Turkey, Turkey, one more time (für mich die vegetarische Pilzvariante) mit anschließendem Christmas Pudding und einem Geburtstagsständchen für „Little Jesus“. Der Tag ging schnell vorrüber und so wurde die Nacht sehr bald mit traditionellen Weihnachtsliedern eingeleitet, die leider nur Brother Julian und Brother Vaughn wirklich gut konnten.

Nach und nach reisten mehr Besucher an, bis wir für Silvester dann komplett waren.
Wir hatten uns vorgenommen, das große Feuerwerk am „London Eye“ zu bewundern, und so machten wir uns am frühen Abend auf in die Innenstadt. Auf das lange Warten hatten wir uns mit der ein oder anderen Hose eingestellt. Rekordhalter war ich mit 4 Hosen übereinander. Die Langeweile bekämpften wir hingegen mit lustigen Spielchen – ein Hoch auf Prominenten-Raten.
Um Mitternacht begann dann das Feuerwerk, das jedem den Atem raubte. Es ist unbeschreiblich, was in dieser Nacht den Himmel erleuchtete. Ich schien aus dem Staunen nicht mehr raus zu kommen – auch wenn ich das Verbrennen von Geld normalerweise nicht gutheiße.
Immerhin war aber der restliche Himmel Londons nur von Sternenlicht erleuchtet, sodass mein schlechtes Gewissen sich im Rahmen hielt; ein gewaltiges Feuerwerk für eine Stadt mit mehr als 8 Millionen Einwohner wird wohl noch besser sein als eine Stadt mit 8 Millionen Feuerwerken.

Nichtsdestotrotz kann man wohl auch ein Feuerwerk auf andere Weise kritisch beleuchten. Durchaus ist von einer Art Propaganda zu sprechen, wenn in einer Zeit, in der die Unabhängigkeit Schottland debattiert wird, Aussprüche wie „You showed us the best face of Britain. One United Kingdom. One flagg. One celebration!“ und „You brought home the truth about us and about this country. Then when we put our minds to it, there is no limit, what Britain can achieve!“ Einigkeit preisen.

Nachdem sich die Menschenmassen wirklich diszipliniert aufgelöst hatten, bestritten auch wir den Weg in den Osten Londons und ließen uns immer noch verzaubert in unsere Betten fallen.
Die wundervolle Zeit voller Gemeinschaft hatte einen glanzvollen Abschluss gefunden.

„Blazing London“ scheint wohl wirklich der Titel meines Jahres zu werden:

[http://www.youtube.com/watch?v=4e8vfRTsFU4]


Mittwoch, 2. Januar 2013

"Der Gast ist König!"



Mit mehr als 8 Millionen Einwohnern ist London die bevölkerungsreichste Stadt der europäischen Union. Doch die Metropole kann nicht nur mit ihrer Einwohnerzahl punkten. Vielmehr ist London mit 16,9 Millionen internationalen Gästen jährlich die meist besuchte Stadt der Welt. Mit allerhand Investitionen im Zentrum Londons versucht man die Besucher dauerhaft zufrieden zu stellen, um den Tourismus zu fördern. Natürlich muss dieser existenzielle Wirtschaftsbereich unterstützt werden. Aber sollten die Touristen auch – ganz nach dem Motto „Der Gast ist König!“ – Priorität gegenüber der Bevölkerung genießen?

„Das letzte Mal waren wir vor acht Jahren hier – wir haben da vorne auf der Treppe geschlafen!“
Katharina, die Mutter von zwei Kindern, weist zu den Stufen der National Galerie am Trafalger Square.
Im Osten der Metropole lebt man in einer ganz anderen Welt. Viele Menschen sind in finanzieller Not. Gerade die Menschen in unserem Haus begleitet zudem die ständige Angst vor Obdachlosigkeit; sie haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Mein Projekt
helping hands ermöglicht diesen hilfsbedürftigen Familien mindestens einmal im Monat einen Ausflug, um die Sorgen für einen Moment zu vergessen. Und obwohl die Kinder in London wohnen, haben viele bei unserem Besuch des Londoner Stadtkerns zum ersten Mal das Parlament ihres Landes gesehen. Durch die unbeschreiblich hohen Fahrkartenpreise ist es den meisten Familien in östlichen Stadtteilen unmöglich Ausflüge in die Innenstadt zu unternehmen. Manch einer besitzt zumindest noch das Privileg, Arbeit im Stadtkern gefunden zu haben. (158 Euro monatlich müssen dann aber vom Gehalt für die Anreise abgezogen werden.)

Aber vielleicht ist genau das auch die Absicht, vielleicht sind weite Teile der Stadt nur noch für Touristen gedacht. Es erinnert mich ein wenig an Disneyland – alles ist großartig. Die Touristen sind wunschlos glücklich mit ihren Sehenswürdigkeiten, den ausgezeichneten Verkehrsanbindungen und den kostenfreien Museen. Und obwohl die Museen kostenfrei sind, so sind sie für viele Menschen noch lange nicht barrierefrei. Alternativen bleiben aber auch keine, zumindest habe ich noch kein Museum in unserem Stadtteil gesehen.

Doch was ist zu tun, wenn Geld ausschließlich in den Stadtkern fließt, obwohl die breite Masse und auch der größte Bevölkerungszuwachs in östlichen Gebieten liegt?
Investitionen sollten nach Notwendigkeit und nicht nach Lage verteilt werden, denn obwohl London von seinem Tourismus lebt, ist das schlagende Herz immernoch die Bevölkerung. Und auch Touristen sollten ihren Teil beitragen. Außergewöhnlichere Orte abseits von Sehenswürdigkeiten können auch besucht werden; sie können durch ihren ganz eigenen Charme und die dort lebenden Menschen bestechen.
Denn britisch ist nicht, was man bei Souvenirhändlern findet; britisch sind die Menschen und ihr Zuhause.

(Informationen von [www.visitbritain.org], [http://www.london.gov.uk/shaping-london/london-plan/facts/] und [www.en.wikipedia.org/wiki/Tourism_in_London])

Dienstag, 18. Dezember 2012

Advent, Advent; ein Lichtlein brennt!






Sometimes our light goes out, but is blown again into instant flame by an encounter with another human being.” - Albert Schweitzer






Auch mein Licht ist wieder aufgeflammt und die verschiedenen Gründe werden wohl ersichtlich werden, wenn ich von den vergangen Wochen berichte. 
Doch wann beginnen, wenn der letzte Eintrag – ja, ich bin mir meiner Schuld durchaus bewusst – schon mehr als einen Monat zurückliegt? Da schon Begegnungen angedeutet wurden, werde ich auch mit einer Begegnung um den ersten Advent beginnen.

Meine ersten 3 Monate in meinem Londoner Bett sollten durch einen Ausflug nach Dorset, einer ländlichen Grafschaft Englands, jäh unterbrochen werden; immerhin hatte ich geplant meinen Mitfreiwilligen Frerik in seinem Projekt zu besuchen. Nach einer 5 stündigen Tube-, Bus- und Autoreise erreichte ich Hilfield, das Mutterkloster der anglikanischen Franziskaner in Großbritannien, in dem Frerik sein Jahr mit forst- und landwirtschaftlicher Arbeit verbringt.

Im Herzen verwurzelt mit dem bergischen Land fühlte ich mich zwischen all den Hügeln und Wäldern natürlich heimisch, unterstützt wurde das Gefühl durch all die wunderbaren Menschen, die in dem Kloster ansässig sind; denn neben den Brüder gibt es noch einen Haufen Freiwilliger, die im Kloster leben und arbeiten. Ich schnupperte während meines Aufenthaltes in Freriks Aufgabenbereiche und vertrieb meine Zeit somit mit „Hedge laying“ (ein Bestandteil der Waldarbeit in Hilfield) und Gemüse schälen in der Küche. Mein vier tägiger Aufenthalt wurde mir mit zwei Ausflügen versüßt, die mich zu den berühmten Kathedralen von Wells und Salisbury führten. Gestärkt durch selbstgebackenes Brot und eine schöne Zeit in Gemeinschaft fuhr ich nach Hause – in die Balaam Street.

Den zweiten Advent verbrachte ich nicht alleine; Besuch hatte sich angemeldet.
Und so holte ich zwei Freunde vom Bahnhof St. Pancras ab, um mit ihnen die nächste Tage zu verbringen.
Neben dem üblichen Touristenprogramm, gab es auch für mich Neues zu entdecken.
Ich tauchte das erste Mal in das Camden Towner Nachtleben ein, das mich ganz verzaubert hat. Die Marktstände reihen sich aneinander und verkaufen Leckereien und logischerweise die total angesagte „second hand“-Kleidung für Hipster. Das Licht des Marktes und der Bars, Kneipen, Cafés und Restaurants spiegelt sich in einem Kanal, der durch das Viertel führt – somit eine herrliche Atmosphäre.
Doch auch die andere Seite Englands wurde mit meinen Freunden erkundet. Brother Vaughan, ein Bruder aus der Nachbarschaft, hatte nämlich für die Familien unseres Hauses einen Ausflug aufs Land organisiert.
Der Zug trug uns hinaus und die Metropole wurde von der Natur verdrängt, die uns ganz in sich auf nahm als wir unser Ausflugsziel, eine Farm mit riesigem Gelände, erreichten. Das Gelände wurde mit einer Miniatur-Bahn erkundet, die einen Halt bei „Father Christmas“ einlegte und somit ein wirkliches Highlight für Kinder, aber auch Eltern, war.

Der Besuch meiner Freunde ging schnell vorüber; was blieb waren schöne Erinnerungen und leider auch eine starke Erkältung. Tage des allein auf meinem Zimmer gesund Schlafens und Suppe Essens folgten.
Am Ende der Woche konnte ich mich jedoch wieder auf meine älteren Herrschaften freuen, die ich schon wirklich vermisst hatte. Zudem konnte ich endlich wieder tanzen, wobei es hier ein unglaublich großartige Neuerung gibt. Ich tanze jetzt nämlich im (zurecht) sehr berühmten „pineapple dance studio“, da ich hier die perfekte Klasse für mich gefunden habe. Das Training fordert mich wirklich heraus und ich kann mich somit gut weiterentwickeln. Während des Trainings habe ich zudem einen italienischen Tänzer kennengelernt, der seit kurzer Zeit auch in London lebt und mit dem ich nun viel Zeit verbringe.


Auch in Zukunft hält dies an, da ich über Weihnachten bzw. Silvester Besuch von meinen Mitfreiwilligen Marie, Grace, Jana und Frerik und meinem Bruder Lars mit seiner Freundin Anna-Marie bekomme.

We're gonna shine in blazing London. Versprochen!

Donnerstag, 1. November 2012

Mein freiwilliger Friedensdienst

Hier ein kleiner Beitrag über das Projekt und meine Arbeit. Der Text ist mithilfe von Auszügen meines Rundbriefes gestaltet, den ich für meine Trägerorganisation, die evangelische Kirche im Rheinland, schreibe. Viel Spaß beim Lesen!


 „Next stop 'Plaistow Station'! Please mind the gap!“ – der Spalt zwischen Bahnsteig und Bahn besaß für mich wohl eine andere Dimension als für die üblichen Fahrgäste; immerhin tat ich den ersten Schritt in meinen freiwilligen Friedensdienst, den ich für ein Jahr in einem Kloster der Franziskaner hier im Londoner Osten verbringe.
Neben der Gemeinschaft der Ordensbrüder beherbergt das Haus auch das – von ortsansässigen Freiwilligen getragene – Projekt „Helping Hands“, das einen Beitrag zur Nachbarschaftshilfe leistet.
Die Arbeit des Projekts kann in drei Bereiche unterteilt werden.
Vor Ort wird – neben heißem Tee und Sandwichs – ein offenes Ohr für Konversationen geboten, da im Büro immer ein Freiwilliger anzutreffen ist, der sich um die Ankommenden kümmert und den Telefondienst bestreitet. Neben dieser Arbeit wird vor Ort zusätzlich ausgesuchten Obdachlosen eine Unterkunft geboten, damit sie sich in Ruhe sammeln und auf einen Neustart vorbereiten können. Außerdem werden Hausbesuche vorgenommen, damit immobilen Menschen bei ihren Einkäufen geholfen werden oder ihnen ebenso ein offenes Ohr geboten werden kann.
Zurzeit leben neben Brother Julian, Brother Peter und mir fast ausschließlich obdachlose Familien im Haus der Gemeinschaft, wobei diese aus verschiedensten Ländern kommen – England, Pakistan, Ghana, Lettland, Litauen und Portugal sind im Moment vertreten. Durch die Vielzahl an Familien haben wir ein kinderreiches Haus, das vor Leben nur so boomt; hinzu kommen die täglichen Besucher, die dem Haus zusätzlich noch Leben einhauchen. Nichtsdestotrotz kann das Haus – gerade durch seinen wundervollen Garten – ein wunderbarer Ort der Ruhe und Einkehr sein, und damit seiner Funktion als Zufluchtsort vollkommen gerecht werden.  Ich arbeite hingegen hauptsächlich außerhalb des Hauses, besuche vor-und nachmittags ältere Menschen in der Nachbarschaft und verbringe meine Zeit mit ihnen. Meist unterhalten wir uns einfach, nachdem wir einkaufen waren oder einen kleinen Ausflug gemacht haben, der uns in andere Teile der Stadt zu verschiedensten Märkten, Parks oder Shoppingcenter geführt hat.

So besuche ich beispielsweise auch mit einer meiner Klientinnen jede Woche das Stratford-Shoppingcenter.

Hierfür benutzen wir den Rollstuhl, da sie durch ihre Erblindung Schwierigkeiten hat, lange Strecken mit ihrem Rollator zurück zu legen. Wenn wir dann unterwegs sind, erledigen wir meist die wöchentlichen Einkäufe (wobei ich mich mittlerweile sogar in englischen Supermärkten zurechtfinde, und alle englischen Produktnamen kenne; am Anfang war das gar nicht mal so einfach) und genießen danach englisches Essen – für sie jede Woche eine mit Käse gefüllte Pellkartoffel [jacked potato with cheese] . Bei ihr Zuhause verstaue ich dann die Einkäufe im Kühlschrank oder Gefrierfach und verstecke ihren Whisky vor ihrem Pfleger, der sie morgens für den Tag und abends für die Nacht vorbereitet; denn trotz ihrer Erblindung lebt Emma alleine in ihrem Haus und bekommt regelmäßig Besuch von ihrer Familie und von Freunden. Sie ist ein lebensfroher und genussfreudiger Mensch, es ist wunderbar zu sehen, dass die jede Minute ihres Lebens genießt. Da viele meiner Klienten noch alleine leben, aber nicht alle so viel Unterstützung und Besuch von ihrer Familie bekommen, sind sie stets sehr dankbar, wenn ich mit ihnen Ausflüge machen und wir dabei die Einkäufe erledigen.

In meiner freien Zeit werden Ausflüge und Einkäufe jedoch ausschließlich mit dem Fahrrad erledigt, da die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel durch fehlende oder unbezahlbare Monatskarten einfach zu teuer ist. Dabei ist es interessant festzustellen, dass das Fahrrad nicht nur günstiger für Geldbeutel und unsere Umwelt ist, sondern zusätzlich auch noch schneller als das Auto oder der Bus.
So führen mich meine wöchentliche Fahrradtouren durch Plaistow mit seinen britischen Backsteinhäuschen, über die Isle of Dogs mit ihren    riesigen Gebäudekomplexen oder auch durch Greenwich mit seinen viktorianischen Prachtbauten.

Wir hören uns bald wieder - versprochen.
Euer Jens

Und wenn ihr auch Interesse an einem freiwilligen Friedensdienst habt, dann schaut doch mal bei der Arbeitsstelle für KDV, ZD und FFD der evangelischen Kirche im Rheinland vorbei [ www.aktiv-zivil.de].